Psychologie

Der Weg zu mehr Bewegung und Fitness

Du interessierst dich aufgrund der Überschrift für diesen Blog-Artikel? Herzlichen Glückwunsch, denn du bist bereit zu einer Verhaltensänderung und suchst bereits nach Anleitungen. Es geht in diesem Beitrag wohlgemerkt um psychologische Tipps wie man seine sportlichen Ziele erreichen kann. Und die sind sehr relevant, denn es ist dein Kopf, den du ab jetzt von deinem Vorhaben überzeugen musst. Ich bin keine Sportwissenschaftlerin und kein Personal Trainer. Ich kann dir also keinen Tipp geben, welche Sport- oder Bewegungsart für dich passend ist. Es wird eine Reise sein, die jeder für sich gehen darf. Ich bin schon mindestens vier Jahre auf meiner Reise, auf der ich erstmalig gezielt verschiedene Sportarten ausprobiere, und habe langsam eine Idee davon, worin meine Bewegungsziele liegen und was mich persönlich weiter bringt. Und gerade wer sich als untrainierte Couch-Potato zu ungewohnten Bewegungszielen entschließt, sollte vorab professionelle medizinische und Fitness-Experten aufsuchen, um sich untersuchen und coachen zu lassen. Die Profis können deinen Fitness- und Gesundheitszustand einschätzen und wertvolle Hinweise geben, vielleicht auch ein komplettes Programm, an dem man sich orientieren kann. Außerdem gibt es mittlerweile viele kostenlose Programme und Tipps von Coaches online, auch im deutschsprachigen Raum. Google, iTunes oder YouTube sei Dank, kann man diese in den Weiten des Web auch finden. Ein erster Tipp: Orientiere dich zunächst an Bewegungsformen die du in der Vergangenheit oder Gegenwart eh gerne gemacht hast oder machst. Oder an etwas, was du schon lange ausprobieren wolltest, weil es dich reizt.

Was treibt mich an?

Jetzt ist die einmalige Chance ganz und gar ehrlich zu sein. Beantworte für dich folgende Frage: Was ist mein Ziel? Schau dir die Antwortliste an. Welche Antworten treffen auf dich zu?

  • schlank sein
  • fitter sein
  • schöner sein
  • gesünder sein
  • leistungsfähiger sein
  • glücklicher sein
  • dem stressigen Alltag entfliehen
  • mit ungesunden Gewohnheiten aufhören
  • weniger auf dem Sofa sitzen
  • abnehmen
  • Schmerzen los werden
  • Gutes Gewissen
  • perfekt sein
  • Erholung
  • Herausforderung
  • Neues erleben
  • Sinnfindung
  • Spaß haben
  • Leute kennen lernen
  • mit Freunden zusammen sein
  • einen Partner finden

Aus psychologischer Sicht sind Ziele interessant. Sie lassen sich in unterschiedliche Kategorien einteilen. Eine Unterscheidung, die mich als Psychologin von Anfang an fasziniert hat, ist die Unterteilung in

Vermeidungsziele und Annäherungsziele.

Unsere Motivation ist wichtig. Sie dient als Motor, um uns anzutreiben, auch wenn es Mal schwierig wird. Vermeidungsziele sind Ziele, von denen man sich wegbewegen möchte. Gewicht abnehmen ist  ein klassisches Vermeidungsziel. Auch das Aufhören mit dem Rauchen gehört dazu. Vielleicht ahnt ihr jetzt worauf ich hinaus will. Es ist nicht schlimm, Vermeidungsziele zu haben. Jeder Mensch hat sie. Aber um Ziele zu erreichen muss ich wissen, wohin die Reise gehen soll. Wovon man weg möchte, ist vielen schnell klar. Das ist eine gute Ausgangsbasis. Der nächste Schritt sollte aber darin bestehen zu klären, welche meine Annäherungsziele sind. Annäherungsziele sind Ziele, zu denen ich mich hinbewege. Bleiben wir bei unseren Beispielen. Beim Rauchen ist das Finden von Annäherungszielen oft nicht ganz einfach. Oft sind es gesundheitliche Ziele, die sich nicht klar fassen lassen. Wie fühlt es sich an, nicht an Lungenkrebs zu erkranken? Daher benutzen viele Menschen die aufhören wollen und leider auch viele professionelle Helfer Worte wie „Nichtraucher“ oder „Raucherentwöhnung“. Beides beinhaltet dasselbe Vermeidungsziel. Diese Worte sollte man, genauso wie die Glimmstängel, komplett aus seinem Leben streichen. Vorsätze wie „keine Zigarette“ oder „heute nicht rauchen“  verführen zum Rauchen, weil sie das Augenmerk auf das Verhalten lenken von dem man eigentlich weg will und der gefühlte „Verlust“ wird nur umso schmerzvoller, vor allem bei fatalen Wortkombinationen wie „Genussrauchen“. Außerdem fehlt die notwendige Verhaltensalternative. „Frei atmen“ ist dagegen schon ein ganz anderer Ansatz. Heute atme ich frei! Dann habe ich eine Wahl und kann mich aktiv entscheiden. Essen müssen wir leider täglich. Abnehmen stellt uns vor ganz andere Herausforderungen, was man leicht an der ganzen „Abnehmindustrie“ erkennen kann. „Kalorienreduktion“, „kein Süßkram“, „weniger essen“, alles Vermeidungsziele. Aus psychologischer Sicht ist es sinnvoll, die Alternativen zu betonen. Essen müssen wir und eigentlich sollte jedem klar sein, dass Hungern beziehungsweise Mangelernährung, welches mit klassischen Diäten immer der Fall ist, nie zu einer langfristigen „Gewichtsreduktion“ führen wird. Die Formulierung konkreter Annäherungsziele hilft uns beim Erreichen von Vorsätzen.

Finde das für dich wichtigste Ziel für mehr Bewegung und Fitness und achte auf die konkrete Formulierung von Annäherungszielen, wenn du deine Schritte auf dem Weg dorthin beschreibst.

Entspannung? Was soll daran aktiv sein? Und vor allem, was hat das denn mit dem Weg hin zu mehr Bewegung und Fitness zu tun? Wenn ich Klienten nach Entspannungstechniken frage, erhalte ich häufig Antworten wie „auf Sofa liegen und fern sehen“ (tue ich auch gerne) und „vor dem Computer sitzen“ (tue ich gerade auch). Nur leider, dies sind in der Regel sogenannte passive Entspannungsquellen. Die sind auch o.k. und erfüllen ihren Freizeitzweck. Aber sie nutzen mir nicht dabei mich zu entspannen, wenn ich mich gerade angespannt, gestresst oder unter Druck fühle. Aktive Entspannungstechniken sorgen dafür, dass ich mich gezielt entspannen kann, wenn ich es brauche. Zudem kann ich Entspannungstechniken an unterschiedlichen Orten einsetzen, wie dem Arbeitsplatz oder kurz vor einer Prüfung. Dies habe ich beides schon gemacht und es hat mir geholfen. Der Vorteil des Erlernens einer Entspannungstechnik liegt auch darin, dass ich mich mental trainiere. Ich setze gezielt mein Denken ein, um eine körperliche Reaktion hervorzurufen. Das will ich auch, wenn ich Bewegungsziele habe. Außerdem benötige ich die Balance zwischen körperlicher Anstrengung einerseits und der körperlichen Erholung andererseits. Ich unterstütze also meine Fitness auf unterschiedlichen Ebenen, wenn ich Entspannung lerne.  Ich unterstütze meinen geistigen und körperlichen Ausgleich. Ich verbessere insgesamt meine Erholungsfähigkeit. Die Verbesserung der Regenerationsfähigkeit ist genauso wie der Aufbau von Muskeln ein Fitnessziel. Leider wird es oft vergessen.

Glücklicherweise ist das Angebot an Kursen zum Erlernen einer Entspannungstechnik groß. Die Schwierigkeit ist nicht einen Kurs zu machen. Die Schwierigkeit ist das am Ball bleiben. Es lohnt sich aber, da ich dadurch Gewohnheiten etabliere, d.h. irgendwann fällt es mir leichter mich aktiv zu entspannen.

Ich habe als Studentin an der VHS Kurse für Autogenes Training gegeben. Bis heute ist das meine favorisierte Technik, wenn ich abends im Bett kalte Füße habe. Ich habe in dieser Zeit viel ausprobiert an mir selber und zusammen mit den Kursteilnehmern. Klar, Socken sind bei kalten Füßen ein Anfang, aber wenn ich mich im Liegen durch formelhafte Sätze in einen Zustand der Ruhe, Entspannung und Wärme versetzen kann ist das ein gutes Gefühl, weil es mir Kontrolle und Wirksamkeit gibt. Wenn ich liege und mir sage „Mein Körper ist angenehm schwer.“, dann versuche ich hineinzuspüren in meinen Körper und die Schwere zu fühlen. Wenn ich mir sage „Meine Arme und Beine sind angenehm warm.“, dann versuche ich die Wärme in meinen Gliedmaßen zu spüren. Geduldig beobachte ich wie ich zur Ruhe komme und dann geschieht das Tolle, ich fühle mich entspannt und warm.

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Zu Beginn einer jeden Verhaltensänderung steht der Aufbau neuer Verhaltensweisen, oft gegen innere und äußere Widerstände. Dazu benötige ich als Voraussetzung eine neue innere Orientierung und Haltung. Das heißt, ich verändere auch meine Gedanken. Weg von „Heute bleibe ich auf dem Sofa“ hin zu „Ich liebe es, mich zu bewegen und freue mich auf das Laufen“. Wenn ich in Wirklichkeit denke, „Mist, es ist kalt, dunkel und es nieselt draußen, ich will mich lieber auf’s Sofa legen und das Vorabendprogramm genießen“, dann habe ich ein kognitives und motivationales Problem, das ich lösen muss. Wenn ich das Ziel mehr Bewegung und Fitness als eine zusätzliche Belastung wahrnehme, dann ist die Gefahr des Scheiterns groß. Hier ein Tipp:

Es ist wesentlich leichter, jeden Tag zu trainieren als zwei- bis dreimal pro Woche. Das widerspricht jetzt vordergründig vielleicht anderen Ansätzen. Es geht mir nicht um sieben jeweils mindestens einstündige schweißtreibende intensive Sporteinheiten pro Woche, die dich an deine Leistungsgrenzen führen. Nein, darum geht es nicht. Deshalb schreibe ich ausdrücklich von Bewegung und nicht von Sport. Ich möchte die Macht von psychologischen Strategien nutzen! Der Trick ist die neue innere Haltung nicht dreimal pro Woche, sondern in den Alltag zu übertragen. Eine neue innere Haltung könnte sein: „Ich bewege mich gern.“ Dies lässt mich im Alltäglichen die Gelegenheiten finden, die mich zum Bewegungsmenschen machen. Die Treppe und nicht die Rolltreppe, denn ich bewege mich gern. Ich lerne Treppenhäuser zu schätzen und kenne Fahrstühle nicht mehr von innen, denn ich bin ein Bewegungsmensch. Ich schleppe meine Einkaufstüten und betrachte mich dabei als Held des Alltags. Neben der Aufrechterhaltung und Festigung der inneren Haltung kann ich gleichzeitig meine Ziele positiv emotional aufladen und mich motivieren und antreiben.

Dadurch wird der dreimalige Sport in der Woche nicht zur zusätzlichen Belastung, sondern ist Teil des neuen Lebensstils eines Bewegungsmenschen.

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Kleine, aber dafür kontinuierliche Schritte sind der Schlüssel zu Erfolg. Kleine Schritte haben am ehesten die Chance sich jeden Tag ausüben zu lassen. Vor allem, wenn ich sie an bestehendes Verhalten binde. Mein abendliches Stretching kann ich direkt nach dem Zähne putzen etablieren. Das Zähne putzen stellt dabei die bereits bestehende tägliche Routine dar, an die ich neues Verhalten koppeln kann.

Ganz wichtig dabei ist, übertreibe es nicht. Wer ungeduldig zu schnell zu viel will, wird es nicht schaffen. Es gibt ja noch den ganzen Alltag drumherum. Ein Beispiel: Meinen Podcast aufzubauen kostet mich Zeit, viel viel Zeit. Ich habe ein starkes motivationales Ziel, dennoch kann ich nicht sofort alles umsetzen. Dazu würden meine Zeit und Energie nicht ausreichen. Allein den Podcast rein technisch auf ein akzeptables Niveau zu heben, hat mich viele Wochen gekostet. Bevor ich 2012 die erste Episode auf iTunes einstellte war ich bereits ein Podcast Fan. Ich hörte mir viel an und erst langsam reifte ein Ziel in mir. „Das könnte ich auch tun, das würde Spaß machen!“ Es entwickelte sich zu einem Hobby, das Beschäftigen mit dem Machen von Podcasts. Alles Wissen dazu findet sich übrigens kostenlos im Internet. Dann habe ich mich entschlossen Geld in die Hand zu nehmen und es einfach Mal zu probieren. Ich kaufte mir ein gutes Headset, ein Mischpult und verwandelte mein Wohnzimmer mit meinem Computer in ein Tonstudio. Nach zwei Episoden stellte sich dann doch eine längere Pause von zwei Jahren ein. Warum? Nun, ich setzte andere Prioritäten im Leben. Doch ich blieb glücklicherweise am Ball und habe nun schon einige Episoden auf meiner Website indyacapunk.de, weil ich nun momentan einmal pro Woche eine Episode produziere. Ich freue mich darüber. Das sollte jeder, der ein neues Verhalten etabliert. Positive Veränderungen sollte man betonen und wertschätzen. Dann hat man auch Lust nach einiger Zeit wieder zurückzukehren, wie ich nach zwei Jahren Podcast-Pause.

Viel Erfolg!