Wer glaubt, es ist schwierig etwas zu verändern, der sollte einmal probieren, etwas zu akzeptieren. Akzeptanz ist nichts für schwache Nerven. Und ich behaupte, dass Akzeptanz zu den schwierigsten Lebensaufgaben überhaupt gehört. Es gibt zwei wesentliche Herausforderungen in der psychotherapeutischen Arbeit. Das eine ist sicherlich Veränderungsprozesse zu begleiten. Das andere ist der mitunter wesentlich schwierigere Weg der Akzeptanz. Man mag sich zum Einstieg in die Materie in folgende Vorstellungsübung begeben: Mir fährt der ICE, den ich mit fester Zugbindung und Platzreservierung gebucht habe, vor der Nase weg. Ich sehe ihn quasi gerade noch aus dem Bahnhof herausfahren. Und ich stehe abgehetzt mit dem schweren Gepäck auf dem Bahnsteig. Was spüre ich? Und wonach ist mir jetzt? Was würde ich am liebsten jetzt machen? Setze ich mich mit einem leichten Lächeln auf meinen Koffer und überlege mir, was ich mit der geschenkten Zeit nun anfange? Oder ärgere ich mich maßlos über mein Missgeschick, den Verlust des Geldes und die durchkreuzten Pläne? Kann ich mich schnell beruhigen und einen Plan B erdenken? Oder koche ich noch nach Stunden innerlich, wenn ich bereits im teuer bezahlten zwei Stunden später fahrenden ICE verschwitzt und unzufrieden sitze? Kann ich über das Schicksal schmunzeln? Oder trage ich die Frustration über meine Pechsträhne noch Tage später in mir? Fehlende Akzeptanz verstärkt das Negative, es macht aus Schmerz Leid.
Das Beispiel mit dem ICE ist eine Alltagssituation die jederzeit jedem von uns passieren könnte. Vermutlich hat jeder bereits eine ähnliche Situation erlebt. Die erste große Akzeptanzleistung von Menschen, die in eine Therapie kommen besteht bereits darin, dass sie akzeptiert haben, dass sie vermutlich Hilfe bei der Lösung ihrer Probleme brauchen und sich einem Psychotherapeuten anvertrauen. Klienten müssen nicht mit der Frustration einer verpassten Bahn umgehen lernen, sondern mit dem Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen oder eines zerplatzten Lebenstraums. Sie müssen mit einer schwerwiegenden todbringenden Krankheit umgehen lernen oder einem traumatischen Erlebnis. Sie müssen akzeptieren, dass eine Depression ihre gesamte Lebensfreude genommen hat oder Ängste das Leben massiv einschränken. Und gerade hier liegt eine große Überlegenheit in der Akzeptanz. Sie befreit von dem Nicht-wahrhaben-wollen, das einen hemmt, die richtigen Schritte zu gehen. Akzeptanz heißt nicht, Dinge gut zu heißen oder positiv umzudeuten. Es geht nur darum sich klar zu machen, dass es so ist wie es eben ist. Nicht mehr und nicht weniger. Außerdem muss ich nicht alles akzeptieren, sondern nur das, was nicht veränderbar ist.
Das Schöne ist, man kann Akzeptanz lernen. Im Alltag gibt es viele „verpasste Züge“, die wir als Gelegenheiten nutzen können, um zu üben. Die lange Schlange an der Supermarktkasse, der Stau und der verspätete Bus können uns beibringen, das innere „HB-Männchen“ in uns kennen und liebevoll betrachten zu lernen. Ich nehme wahr, ich spüre die Empfindungen, ohne zu reagieren, ohne meinem Handlungsimpuls zu folgen. Radikal wird die Akzeptanz, wenn wir den großen emotionalen Herausforderungen im gegenwärtigen Augenblick begegnen. Der übermächtigen heißglühenden Wut, der abgrundtiefen Traurigkeit oder der existenziellen Angst. Wer hier lernt, innerlich einen Schritt zurückzutreten und innezuhalten, der hat die große Freiheit gewonnen seinen Schmerz zu sehen, ohne sich in einen tiefen Strudel Leid bringender Gedanken und Gefühle ziehen zu lassen. Es ist so wie es ist.