Psychologie

Was macht eigentlich eine Verhaltenstherapeutin?

Es ist vermutlich schwierig sich vorzustellen was eine Therapeutin tut die den ganzen Tag damit beschäftigt ist, Menschen zuzuhören. Man sieht selten Maschinen, technische Apparate oder spezielle Werkzeuge. Die Arbeit bleibt oft zunächst „unsichtbar“. Selten sieht man eine Videokamera oder andere Aufzeichnungsgeräte. Die Therapeutin macht sich zumeist viele Notizen auf einem Klemmbrett, mitunter wird auf ein Flipchart geschrieben. Ich möchte in diesem Beitrag einen ersten kleinen Einblick in das Arbeiten einer Verhaltenstherapeutin geben.

Übrigens habe ich erst einmal, und das eher versehentlich, eine Couch in meinem Büro gehabt. Und das war der einzige Arbeitsplatz, an dem ich in meinem Büro kein einziges therapeutisches Gespräch geführt habe. Man sitzt sich einfach auf bequemen Sesseln gegenüber. Die Psychotherapie beginnt für mich bereits beim äußeren Therapiesetting, den Umgebungsfaktoren. Einer davon ist die Ausstattung des Behandlungszimmers. Zumeist sitze ich meiner Klientin in einem variablen Winkel von ungefähr 125 Grad gegenüber und zwischen unseren Sesseln steht kein Schreibtisch, höchstens ein kleines Beistelltischchen. Bereits die jeweilige Sitzanordnung hat Gründe, die jetzt erklärt allerdings den Rahmen sprengen würden. Paargespräche führe ich auch in einer ganz bestimmten und dabei sehr variablen Sitzanordnung, wobei ich dann Rollen unter meinem Stuhl habe aus Gründen die ich vielleicht in einem weiteren Beitrag erklären werde. Alle Therapeutinnen machen sich viele Gedanken darüber, wie sie den Raum gestalten.

Als ich mich noch in der Therapeutenausbildung befand, sagte ein erfahrener und sehr kompetenter Dozent in einem Seminar, dass jeder Augenblick seiner Interaktion mit dem Klienten in einer Therapiesitzung eine Intervention sei. Ich hielt das damals für maßlos übertrieben. Als Anfängerin gingen mir schon nach gefühlten 10 Minuten die Ideen für Interventionen aus und ich hoffte inständig, dass meine Klientin nichts davon mitbekommen würde. Mir war nicht klar, wie komplex Psychotherapie in Aktion ist. Ich erkannte aber auch nicht, dass es mit der Zeit deutlich einfacher werden würde. Ich sah zunächst nur die einzelnen therapeutischen Puzzleteile, die ich vor einem Gespräch mühsam plante und versuchte umzusetzen. In der Nachbereitung der Sitzungen gab mir meine erfahrene Supervisorin dann wertvolles Feedback und Ideen, Dinge besser zu machen. Ich konnte nur ahnen, wie viel Erfahrung in tausenden von Gesprächen es braucht, um tatsächlich irgendwann sagen zu können, dass jeder Moment einer Sitzung etwas mit der Anwendung therapeutischer Techniken zu tun hat. Heute weiß ich, dass alles was eine Klientin in der therapeutischen Situation erlebt, einen positiven oder negativen Einfluss auf ihr Denken haben kann. Von der ersten Sekunde an arbeite ich bereits durch meine Beziehungsgestaltung und versuche die Ressourcen meines Gegenübers zu verstehen und zu aktivieren.

Eine Verhaltenstherapeutin kann zu jedem Zeitpunkt erklären, was sie gerade tut. Jede Therapeutin legt sich eine Struktur zu. Die kann zwischen den Therapeutinnen variieren, denn jede hat ihre Bereiche mit besonderer Erfahrung oder einen Expertenstatus für bestimmte Interventionen. Aber im Groben und Ganzen lässt sich das Vorgehen vielleicht folgendermaßen skizzieren:

Vorab möchte ich kurz unterscheiden zwischen Verhaltenstherapie als Heilkunde zur Behandlung psychischer Störungen als bezahlte Leistung des Gesundheitssystems und der Nutzung verhaltenstherapeutischer Methoden im Coaching, in der Beratung und Paartherapie. Viele Menschen sehen sich nach einem Psychotherapeuten um, wenn sie unglücklich sind. Häufig bestehen Symptome, die die Diagnose einer psychischen Störung rechtfertigen. Eine approbierte Verhaltenstherapeutin hat die Zulassung zur Ausübung einer Heilkunde. Prinzipiell kann die Leistung bei Bestehen einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung durch die gesetzliche Krankenkasse bezahlt werden. Allerdings ist die Kassenzulassung von approbierten Therapeuten in Deutschland begrenzt. Man muss sich als Therapeutin auf eine Warteliste eintragen lassen und sich auf einen frei werdenden Kassensitz bewerben und zumeist viel Geld dafür bezahlen, um mit den Kassen abrechnen zu dürfen. Daher lassen sich viele Therapeutinnen in einer Privatpraxis nieder. Der Klientin muss klar sein, dass sie, wenn die Krankenkasse die Leistung übernimmt, als Patientin mit der konkreten Diagnose einer psychischen Störung behandelt wird, die der Kasse übermittelt wird. Die Therapeutin muss einen Antrag schreiben, der von einem Gutachter geprüft wird. Das heißt, die Krankenkasse übernimmt die Kosten nur, wenn eine psychische Störung vorliegt. Es gibt viele Probleme und Fragestellungen, die eine Psychotherapie wirkungsvoll zu lösen vermag, auch wenn man keine psychische Störung entwickelt hat. Lebenskrisen wie beispielsweise Partnerschaftsprobleme oder Fragen zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung können durch eine Therapie bewältigt bzw. beantwortet werden. Solche Leistungen wie Paartherapie oder Coaching werden nicht von den Kassen übernommen, sie können jedoch eine gute Investition in die eigene Entwicklung sein. Auch erfahrene Therapeutinnen bezahlen immer wieder gerne erfahrene Kolleginnen, um Einzelsupervision, Selbsterfahrung und spezifisches Coaching zu erhalten. Darüber hinaus ist jede Verhaltenstherapeutin dazu verpflichtet, sich permanent weiterzubilden, dafür wurde ein Punktesystem etabliert.

Eine Verhaltenstherapeutin klärt zunächst in Vorgesprächen verschiedene wichtige Punkte. Dazu gehört die differenzierte Problemanalyse, die Motivation sowie die konkreten Ziele der Klientin. Das übergeordnete Ziel ist meistens das subjektive Wohlbefinden zu verbessern. Der Weg dorthin hängt entscheidend davon ab, wie realistisch die Ziele formuliert sind und dass man herausfindet, was derzeit der Erreichung dieser Ziele im Wege steht. Je besser man das herauszufinden vermag, umso gezielter kann man diesen Problemen begegnen. Hinter dem „Unglücklich sein“ steht zumeist die Frustration eines oder vielleicht mehrerer grundlegender Bedürfnisse. Allein schon durch die gemeinsame Erarbeitung und die Vermittlung eines plausiblen Erklärungsmodells seiner Problematik lernt die Klientin sich besser kennen und versteht, durch welche gezielte Veränderungen er neue positive Erfahrungen machen kann. Meistens braucht es für diese neuen Strategien viel Mut und Motivation, da es häufig bedeutet, altes Vermeidungsverhalten aufzugeben. Im Detail kann das bedeuten, seinen Stress und seine negativen Emotionen anders zu regulieren als bisher. Eine der wirksamsten Techniken zur aktiven Stressbewältigung ist und bleibt das Erlernen einer effektiven Entspannungstechnik. Allein dieses Detail kann das Wohlbefinden erheblich verbessern. Und dennoch bleiben nur wenige Menschen, die eine solche Technik erlernt haben dabei. Sie ist nur wirksam, wenn sie eingebettet ist in einen, nennen wir es Mal Masterplan, denn nur wenn ich weiß warum ich etwas regelmäßig tun sollte und ich an mir selber erlebe wie wirksam dies ist, dann werde ich es regelmäßig und irgendwann routiniert tun. Als Klientin fühle ich mich in einer Therapie verstanden und gut aufgehoben. Ich kenne den Masterplan und traue mich Fragen zu stellen. Ich fühle mich unterstützt und in meiner Motivation gestärkt. Ich kenne die Grenzen der Psychotherapie und die Nebenwirkungen, weil ich darüber aufgeklärt wurde.

Ein anderer sehr erfahrener Dozent und Therapeut sagte einmal, ein Therapeut ist wie ein guter Wein. Er wird mit den Jahren immer besser. Dieser Ausspruch gilt vermutlich für viele Professionen. Auf keinen Fall bedeutet das, dass eine junge Therapeutin schlecht ist oder jede ältere Therapeutin fehlerfrei arbeitet. Es bedeutet schlichtweg, dass ich in jedem Gespräch dazulerne und meinen Klientinnen, meinen Kolleginnen und Supervisorinnen viel zu verdanken habe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert